Waldschrats Abenteuerküche 11. Leseprobe: Seite 61 - 67 Am Sonntag pflücken Erwin und Berta Fichtenwipfel und setzen Sirup an, schichten Zucker und Wipfel in einem Gurkenglas und stellen es auf die Fensterbank in die Sonne. Dann mahlen sie alle Zutaten für das Salz in der alten Kaffeemühle, so wie es die Kunkel notiert hat. Fünf Mühlenfüllungen verteilt Berta auf dem Backblech und schiebt es zum Trocknen in den Küchenherd, umarmt Erwin noch kurz und sagt: »Lass hier nichts anbrennen.« Dann steigt sie auf ihr Uralt-Fahrrad und radelt ins Dorf. Erwin klappt am Backofen seinen Zollstock aus und hält ihn am Schornstein in die Höhe. So um die 20 Schichten muss er den Zug noch höher mauern, genug Arbeit für die kommenden Tage.
Vier Tage lang rackert Erwin um den Schornstein hochzuziehen. Es wird dabei immer beschwerlicher; Steine auf die Rüstung legen, Mörtel nach oben in den Kübel schippen und Steine auf Maß hacken, wie es beim Schornsteinbau unvermeidlich ist. Am Donners-tag Mittag ist es endlich geschafft. Erwin setzt sich zufrieden in die Sonne, knastert einen Zigarillo, trinkt fast in einem Zuge eine Flasche Wasser aus und genehmigt sich danach einen Knoblauchschnaps. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, säubert sein Maurerwerkzeug, räumt es in den Schuppen, steckt sich Zollstock und Bleistift in die Hose, nimmt den Zimmermannswinkel in die linke Hand und die Motorsäge in die rechte. Am Bauholzstapel zieht er sich Kanthölzer heraus und schneidet die Stiele und die Rähme auf Maß. Später sitzt Erwin wieder glücklich bei Zigarillo und Knoblauchschnaps in der Abendsonne.
Der fette weiße Toyota Pickup wirbelt am frühen Freitagmorgen den Staub auf dem Hof auf. Hein Ziesenwusel, Erwins Freund aus Jugendjahren, steigt aus und schlendert zum Haus. Die beiden halten schon ewig zusammen, obwohl der Hein dem Erwin einmal die Suse ausspannen wollte. Aber das hat nicht geklappt und somit ist die Erinnerung an diese Angelegenheit in der Versenkung verschwunden. Hein ist Forstmann und Erwin hatte von ihm die Baumstämme bekommen, welche Eichenkötter gegattert hat. Erwin steht in der Küche und spült gerade seinen Kaffeepott aus.
»Moin Erwin«, krächzt Hein, er schleppt noch ein wenig Corona in der Stimme mit. Die beiden Männer umarmen sich und gehen dann zum Pickup. Hein klappt die hintere Bordwand runter und zieht unter der Plane eine Kiste Bier hervor, die er zum Holzstapel trägt.
»Damit der Tag nicht zu trocken wird.«
»Aber nicht, wenn wir sägen«, sagt Erwin konsequent.
»Du sägst, ich bohre«, sagt Hein verschmitzt, klemmt sich Schlangenbohrer und Schraubzwingen unter den Arm, greift sich den Akkuschrauber und legt das Werkzeug auf den Gartentisch. In dem Moment fährt der angerostete Bulli von Eichenkötter auf den Hof. Forsch öffnet Eichenkötter die Tür und schwingt sich raus.
»Auf geht 's. Lang den Arm und kurz die Pause.«
»Ich könnte erst mal ein Bier vertragen«, krächzt Hein.
»Nix jetzt, erst wenn die Stiele stehen.« Eichenkötter schiebt Hein zum Backofen, Erwin grinst. Dann geht es flott von der Hand. Sie stellen zuerst die beiden hinteren Stiele an die ins Fundament gegossenen Blechlaschen, schrauben sie fest und stützen sie mit Dachlatten ab, so dass sie nicht umkippen können. Die beiden vorderen Stiele werden ebenso verschraubt und mit Dachlatten an den hinteren Stielen fixiert.
»So, der Polter steht. Jetzt, Hein, kannst du deine Stimme ölen.« Erwin reicht jedem ein Bier und öffnet sich eins mit dem Zollstock. Während die Männer Bier trinken und über Holzbauarbeiten fachsimpeln, radeln Suse und Berta auf den Hof. Berta hat auf dem Gepäckträger einen Picknickkorb, der mit Stullen, Bouletten und sauren Gurken bestückt ist. Die Männer essen gleich im Stehen, die Frauen setzen sich in die Sonne und begutachten das aufgestellte Gebälk. Als die Frauen wieder davon radeln, liegen auch schon die beiden Rähme auf und Erwin schneidet die Querbalken zu. Am späten Nachmittag liegen auch die beiden äußeren Querbalken auf und sind mit jeweils zwei Kopfbändern arretiert. Erwin holt Knoblauch-schnaps, ein lauer Wind trägt den Rauch von seinem Zigarillo über den Hof.
»Morgen findet das Probebacken statt, ihr seid herzlich eingeladen und meine Zeugen auf Gedeih oder Verderb.« Eichenkötter hebt seine Pranke zum Zeichen des Einverständnisses, Hein nickt und krächzt irgendwas.
»Dann bauen wir vormittags am Gebälk weiter«, sagt Eichenkötter und öffnet noch drei Flaschen Bier. Erwin holt einen Korb voll Holz und heizt den Backofen für den nächsten Tag vor, die Männer schauen mit träumenden Blicken durch die offene Ofentür in die lodernden Flammen und trinken ihr Bier aus.
Am Sonnabendmorgen kräht der Hahn Giuseppe besonders laut und stolziert aufgeregt durch das Hühnerrevier. Hedwig und Suse setzen in der Küche Teig für die Brote an, die sie in der Mittagsstunde in den Backofen schieben wollen. Erwin, Hein und Eichenkötter sind wieder am Gebälk tätig, die Motorsäge knattert und der Schlangenbohrer quietscht. Am späten Vormittag trudeln Berta und Pia ein, die Männer packen gerade ihr Werkzeug ein. Sie haben die restlichen Querbalken und Kopfbänder montiert. Erwin heizt den Backofen an und und die beiden anderen Männer hacken abwechselnd Holz. Berta stellt zwei alte olivgrüne Feldkochgeschirre auf den Gartentisch. Erwin schaut fassungslos. »Was soll das denn jetzt bedeuten?«
»Da ist Hühnersuppe drin, die ich gestern noch für euch gekocht habe, mit dem Brot dauert es wohl noch eine Weile.«
»Stimmt. Hunger haben wir jetzt nach der Schinderei. Wo hast du denn die Blechdinger her? Habe ich nie bei dir gesehen.«
»Die sind von Pia, waren im Schuppen von der Ziegelei. Die kramt dort immer wieder etwas hervor.«
»Ist doch Bestens, die stellen wir gleich auf die Hexe.«
Die Suppe ist im Nu alle, die Männer strecken die Beine unter dem Tisch aus und trinken Bier. Suse kommt aus dem Haus und schaut auf das Thermometer an der Backofentür. »290 Grad, ich sage Hedwig Bescheid, dass wir erst das Blech reinschieben können und die Brote hinterher.«
Kurz darauf kommt sie mit einem großen Kuchenblech zurück, das sie vom Bäcker aus dem Dorf besorgt hat. Drei runde Kranzbrote liegen auf dem Blech, mit Kerben verziert und in der Mitte eines jeden Brotes steckt ein bemalter Keramikbecher aus einem alten rumänischen Service, das in den 70er Jahren modern war.
»Hedwig meint«, erklärt Suse den Männern, »dass sich die Öffnung im Kranzbrot beim Backen wieder zusammenzieht, soll sie aber nicht. Außerdem ist in den Bechern gleich Wasser für das Backofenklima.«
Erwin öffnet die beiden oberen Ofenklappen und Suse schiebt das Blech auf die Schamottplatte. Das Thermometer zeigt nun 270°C an und Erwin macht sich am unteren Backofenraum zu schaffen. Er schiebt mit einem langen Holzscheit die Glut zu beiden Seiten an die Züge, die nach oben gehen, und bessert mit einem Ascheschieber nach. Hinter ihm wartet schon Hedwig mit dem hölzernen Brotschieber, zwei Bauernbrote schießt sie in den Ofen ein. Banges Warten am Gartentisch bei feuchtfröhlicher Stimmung folgt. Ab und zu schaut Hedwig auf das Thermometer, Erwin öffnet ihr einen Spalt breit die Ofenklappen, dass sie hinein schauen kann. Als Hedwig der Meinung ist, dass die Brote durchgebacken sein müssten, zieht sie das Blech mit ledernen Schweißerhandschuhen von Erwin aus dem Ofen und stochert dann die Brote mit dem Brotschieber heraus. Die Bauernbrote sind oben etwas dunkel und als sie ein Kranzbrot umdreht, entfährt ihr »Scheiße, das sieht nicht gut aus«. Das Kranzbrot ist unten etwas angebrannt, auch die anderen beiden. Erwin kratzt sich am Kopf.
»Ich vermute, die Hitze von der Schamottplatte ist daran schuld. Vielleicht hat sie eine zu hohe Roh-dichte, speichert zu viel Wärme, deshalb sind die Brote unten angebrannt.«
»Also die unteren Brote hätten auch ein wenig früher rausgekonnt«, meint Hedwig. »Da haben wir diesen Fall schon geklärt. Und für oben wird uns auch noch was einfallen. Beim nächsten Backen legen wir einfach ein umgedrehtes anderes Backblech darunter und schauen, ob das bessere Ergebnisse bringt. So, jetzt wird gegessen.«
Berta und Suse kratzen das Dunkle vom Kranzbrot ab und Pia tischt auf. Dann essen alle das frische, noch warme Brot mit Butter und Ziegenkäse, dazu Oliven, Ingwerquark und Schinken. Sie spülen den Mund mit Rotwein und Knoblauchschnaps aus. Dann meint Erwin:
»Ich habe noch eine Idee. Ich werde Dachziegel auf die Schamottplatte legen, und darauf kommen dann die Bleche mit Broten oder Kuchen. Dann sollte es passen.«
»Ach Erwin«, Suse ist bester Laune, »mach es so und beim nächsten Mal weißt du es besser.«
»Und alle, die mein Buch lesen.«
»Was, du schreibst ein Buch?«
»Na klar, alles wird dokumentiert.«
»Kommen wir auch darin vor?« Berta verschluckt sich fast vor Aufregung.
»Natürlich, ohne euch wäre das hier alles nichts. Hoch die Tassen.« Erwin füllt nach, Suse hält die Nase in den Abendwind, Bertas Goldzahn blitzt, die Elfe macht die Drohne, Pia schüttelt ihre roten Locken, Eichenkötter schwingt seine Pranke in die Höhe, Hein krächzt und Erwin nuschelt mit seinem Stumpen im Mundwinkel:
»Auf die Kochbackofenhexe, äh Backofenkochhexe.«
Die Elfe will noch einige Fotos von oben machen, trudelt aber ab und setzt sich schnaufend wieder an den Tisch.
»Von wegen Elfen werden nicht betrunken.«
»Stimmt«, sagt Pia. Hedwig nickt. »Wie komme ich bloß nach Hause?«
»Ich fahre dich«, sagt Hein gönnerhaft.
»Jepp, in so 'ner fetten Kiste wollte ich schon immer mal mitfahren.«
© Christian Koch
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